Selbstführung: Warum sie jetzt besonders wichtig ist & wie man sie erlernen kann

Selbstführung benötigt steuerung durch den inneren Kompass

Co-Autorin: Lena Kaufmann

Unsere Arbeitswelt befindet sich im ständigen Wandel, sie ist komplex, undurchsichtig und bisweilen mehrdeutig (Stichwort VUCA). Um sich behaupten zu können, reichen ein effektives Zeitmanagement und eine effiziente Selbstorganisation längst nicht mehr aus – man benötigt eine authentische, stimmige Identität im Berufsleben, die Steuerung durch einen inneren Kompass, der eigene Ziele im Blick behält, sowie bewusst aktivierte Potenziale und Ressourcen. Diese Kompetenzen lassen sich unter dem Begriff der Selbstführung zusammenfassen, der aktuell in Vorträgen, Blogbeiträgen, Seminar- und Coaching-Angeboten trendet. Selbstführung ist dabei aber bei Weitem nicht nur für Führungskräfte relevant, sondern gerade auch für Mitarbeitende, die in agiler werdenden Unternehmensstrukturen immer mehr Verantwortung übernehmen. In einer unsicheren VUCA-Welt sind Selbstverantwortung, Initiative, Selbststeuerung und Eigenmotivation nötig – sowie eine vertrauende Führungskraft, die den Mut hat, die Führungszügel ein Stückchen aus der Hand zu geben.

Studien konnten zeigen, dass die erfolgreiche Ausübung von Selbstführung mit höherer Leistung und stärkerer Bindung an das Unternehmen zusammenhängt. Vermutlich, weil Selbstführung zu einem Gefühl von Autonomie und Authentizität beiträgt, dem Gefühl, mitbestimmen zu können, wie  bei bestimmten Projekten und im Unternehmen allgemein vorgegangen wird. Auch geht aus den Ergebnissen hervor, dass Mitarbeitende in teilautonomen Arbeitsgruppen zufriedener mit ihrer Arbeit sind, wenn ihre Führungskräfte auf das Konzept der Führung durch Selbstführung setzen.

Selbstführung – was ist das?

Selbstführung bezeichnet die zielorientierte Führung der eigenen Person mithilfe bestimmter Grundhaltungen oder Techniken. Oder anders gesagt: Es geht darum, die eigenen Gedanken, Gefühle und das eigene Handeln zu beeinflussen, um damit eigene Leistungen zu fördern und der eigenen Entfaltung ein entsprechend förderliches Umfeld zu bieten.

Diese Fähigkeiten müssen ständig weiterentwickelt und geübt werden. Wichtig zur Abgrenzung der Selbstführung vom Konstrukt des Selbstmanagements ist dabei, dass nicht nur der Weg zum Ziel, sondern auch das Ziel mitbestimmt werden kann. Selbstführung basiert im Wesentlichen auf drei Komponenten, die für den Erfolg notwendig sind:

Selbsterkenntnis/ Selbstbewusstsein:

Wer bin ich und was kann ich? Persönliche Stärken, Schwächen, nicht ausgeschöpfte Potenziale und Bedürfnisse sollten reflektiert und bewusst gemacht werden.

Selbstverantwortung:

Selbstverantwortung als Basis für Selbstführung bedeutet, mit einer proaktiven, verantwortungsbewussten Grundhaltung Fehler nicht bei anderen zu suchen und bei Problemen nicht auf Lösungen durch andere zu warten. Es geht auch darum, Verantwortung sowohl für äußere, als auch für innere Prozesse zu übernehmen. Als mündige Führungskraft des Selbst ist es wichtig, den Einfluss der eigenen subjektiven Perspektive auf objektive Gegebenheiten zu verstehen. So wie Verliebte alles durch eine rosarote Brille wahrnehmen, müssen wir die eigene Brille erkennen und damit verstehen, dass unsere ganz individuellen Gedankenmuster und Gefühlsreaktionen verantwortlich für das sind, was in uns vorgeht.

Selbststeuerung/ Selbstregulierung:

Diese Erkenntnisse können dabei helfen, das eigene Verhalten und Denken so zu steuern beziehungsweise Emotionen und Motivation so zu regulieren, dass persönliche Ziele erreicht und Muster durchbrochen werden, die uns dabei im Wege stehen. Es wird sich den eigenen Zielen verpflichtet und Rückmeldungen und Zwischenschritte werden festgelegt.

Wie kann man Selbstführung erlernen?

Selbstführung erfordert Selbsterkenntnis, Selbstverantwortung und Selbstregulierung – in der Natur der Sache liegt dabei, dass man an sich selbst arbeiten muss, um die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln.

  • Um zu Selbsterkenntnis zu gelangen, kann zum Beispiel das eigene Verhalten und Erleben möglichst neutral und wertfrei über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, beispielsweise in einem Tagebuch oder Journal. Ausgewählte Punkte können fokussiert werden, etwa ob und wie ein bestimmter Vorsatz umgesetzt werden konnte, oder wie man auf verschiedene Antreiber reagiert.

  • Um eine proaktive, selbstverantwortliche Denkhaltung aufzubauen, können Übungen dabei helfen, dysfunktionale, hindernisorientierte Gedankenmuster zu erkennen und neue, effektive und chancenorientierte Muster aufzubauen. Beispielsweise kann im Rahmen eines mentalen Probehandelns eine erfolgreiche Handlung und deren Konsequenzen bereits imaginiert und so Motivation geschaffen werden oder mithilfe systematischer innerer Dialoge und Visualisierungen Einfluss auf kognitive Handlungssteuerung genommen werden.

  • Um eine effektive Selbststeuerung zu erzielen, ist der Aufbau von Disziplin und das Ändern von Gewohnheiten wichtig. Zum Trainieren bietet sich eine kleine Handlung an, die täglich zur selben Zeit ausgeführt werden soll. Ziele sollten außerdem möglichst motivierend formuliert werden – zum Beispiel mithilfe des SMART-Schemas (spezifisch, messbar, aktiv beeinflussbar, realistisch und terminiert). Weitere Hilfsmittel zur Ausübung von Selbststeuerung sind u.a. das tägliche Vorstellen von Zielvisionen über mehrere Wochen, die Nutzung von Journals zur Planung und regelmäßigen Reflexion des eigenen Tagesablaufs oder individuelle Selbstbelohnungsstrategien.
  • Eine individuelle Standortbestimmung im Rahmen systemischer Development Days bietet die Gelegenheit zu intensiver Reflexion über Selbst- und Fremdbild und die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten. Damit erhalten Sie zusätzliche Perspektiven auf die eigenen Ressourcen, Stärken und Potenziale. Dabei steht die Selbstverantwortung stets im Mittelpunkt.

  • Andreßen, P., & Konradt, U. (2007). Messung von Selbstführung: Psychometrische Überprüfung der deutschsprachigen Version des Revised Self-Leadership Questionnaire. Zeitschrift für Personalpsychologie, 6(3), 117-128. https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1026/1617-6391.6.3.117
  • Bensmann, B. (2011). Die Kunst der Selbstführung. Erkenntnisse aus Interviews mit Führungskräften und führenden Kräften (3. Aufl.). Books on Demand GmbH.
  • Bensmann, B. (2013). Selbstführung: Wie sich kreative Entrepreneure erfolgreich organisieren (2. Aufl.). Books on Demand GmbH.
  • Müller, G. F. (2005). Führung durch Selbstführung. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 36(3), 325-334. https://link.springer.com/article/10.1007/s11612-005-0135-9
  • Müller, G. F., Sauerland, M., & Butzmann, B. (2011). Führung durch Selbstführung–Konzept, Messung und Korrelate. Gruppendynamik und Organisationsberatung, 42(4), 377-390. https://link.springer.com/article/10.1007/s11612-011-0162-7

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