Beobachtungs- und Bewertungsfehler

Unter einem Wahrnehmungs- oder Beobachtungsfehler versteht man eine Fehlleistung beim Beobachten von Verhalten, die auf die subjektive Wahrnehmung oder Bewertung eines Beobachters im Rahmen von eignungsdiagnostischen Verfahren zurückzuführen ist.

Immer wenn menschliches Verhalten durch eine andere Person (=Beobachter) beobachtet und/oder bewertet wird, können Beobachtungsfehler auftreten. Das zu beobachtende Konstrukt (z.B. eine Kompetenz), wird dann also nicht in seiner Wirklichkeit/Objektivität wahrgenommen, sondern durch die subjektive Wahrnehmung des Beobachters beeinflusst, bzw. verfälscht. Was und wie etwas wahrgenommen wird, hängt unter Anderem von den jeweiligen Erwartungen, Gefühlen und Einstellungen des Beobachters ab. So werden Informationen beispielsweise unterschiedlich interpretiert, selektiv wahrgenommen oder sogar zusätzlich ergänzt.

Es sind verschiedene Arten von Beobachtungs- und Bewertungsfehlern bekannt:

  • Überstrahlungseffekt (Halo-Effekt): Eine bestimmte Eigenschaft „überstrahlt“ mehrere andere, so dass von ihr auf mehrere andere Eigenschaften bzw. auf die Gesamtpersönlichkeit geschlossen wird (z.B. sprachliche Gewandtheit).
  • Sympathieeffekt: Beobachter sehen ihnen sympathische Menschen (z. B. welche, die ihnen ähnlich sind) zumeist in besonders günstigem Licht. Sie übersehen unpassendes Verhalten leichter oder interpretieren es positiv um.
  • Falscher Maßstab: Der Beurteiler vergleicht den zu Beobachtenden in unzuverlässiger Weise mit sich selbst, was häufig ungerechtfertigt ist (z.B. wegen geringerer Berufserfahrung), oder mit anderen herausragenden Kandidaten.
  • Überbewertung negativer Informationen: Negative Informationen werden sehr viel häufiger bemerkt und wirken sich stärker auf die Einschätzung aus als positive Informationen
  • Selektive Wahrnehmung: Beobachter ziehen subjektiv ausgewählte Informationen heran, während sie andere dagegen übersehen. Meist sind das Informationen, die die eigene „Hypothese“ bestätigen..
  • Primacy-Recency-Effekt: Die ersten oder letzten Informationen über eine Person bleiben am besten im Gedächtnis.
  • Stereotype und Vorurteile: Vorurteile gegenüber einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (z. B. „Rheinländer sind…“, „Psychologen sind…“ ) können die Wahrnehmung einer Person beeinflussen, die dieser Gruppe angehört.
  • Implizite Persönlichkeitstheorien: Ausgehend von einer Eigenschaft einer Person werden andere Charakteristiken abgeleitet, die häufig gar nicht damit zusammenhängen (z. B. „Extrovertierte Menschen sind emotionaler als andere.“)

Werden Beobachtungen anhand einer Skala bewertet, spielt auch das sogenannte Bewertungsverhalten beziehungsweise die subjektive Bewertungstendez eine Rolle. Manche Menschen neigen dazu, eher streng zu Bewerten und die unteren Skalenwerte zu verwenden (Strenge-Tendenz), wobei andere üblicherweise eher die mittleren Skalenwerte verwenden (Tendenz zur Mitte) und wiederum andere sich eher am „oberen“ Ende der Skala bewegen (Milde Tendenz).

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Vermeidung von Beobachtungsfehlern

  • Die möglichen Fehlerquellen bewusst machen.
  • Auf beobachtbares Verhalten konzentrieren, ohne dieses zu interpretieren.
  • Den Bewertungsmaßstab reflektieren und konsequent an den jeweiligen Anforderungen orientieren.
  • Beobachtung und dessen Beurteilung trennen.
  • Kompetenzen unabhängig voneinander bewerten.
  • Gegen die eigene Hypothese testen.
  • Kontinuierliche, möglichst konkrete und ausführliche Notizen machen.
  • Übungen von mehreren Personen beobachten lassen.

Um Beobachtungsfehler zu vermeiden, werden eignungsdiagnostische Verfahren häufig von einer Beobachterschulung begleitet mit dem Ziel, die Beobachter zur Auseinandersetzung mit der eigenen Subjektivität anzuregen. Typische Inhalte von Beobachterschulungen sind Grundlagen der Diagnostik und theoretisches Wissen über Beobachtungsfehler, aber auch Strategien zum Umgang mit verzerrenden Wahrnehmungseffekten, der Umgang mit den Beobachtungsinstrumenten oder etwa konstruktives Feedback.

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