Was uns das Rheinische Grundgesetz über zeitgemäße HR-Arbeit lehrt (Teil 2)

Der Kölner Dom als Symbol für die rheinische Mentalität

Welche Entwicklungen beobachten wir von ITB in der HR-Welt? Wie lassen sich diese mit einer gesunden Portion Humor und Gelassenheit bestmöglich bewältigen? Und was hat das eigentlich alles mit dem Rheinischen Grundgesetz, einer Sammlung 11 mundartlicher Weisheiten, zu tun? Diesen Fragen, und einigen mehr, widme ich als Wahl-Rheinländer mich mit einer Reihe von Blog-Beiträgen, die beleuchten, was ich von der rheinischen Mentalität für meine alltägliche Arbeit gelernt habe.

Der  erste Teil  hat zum Jahresstart einige HR-Trends betrachtet. Heute dreht sich alles ums Thema Veränderung und Personalentwicklung, zu dem das Rheinische Grundgesetz überraschend viel zu sagen hat.

Artikel 4: Wat fott es, es fott! („Was fort ist, ist fort.“)
Oder: Jammere den Dingen nicht nach.

Veränderung ist allgegenwärtig, so viel ist sicher. Ob Megatrends wie die Digitalisierung, der ökologische und demografische Wandel oder der Fachkräftemangel, oder ob Kulturveränderungen wie der allgemeine Wunsch von Mitarbeitenden nach der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nach mehr Flexibilität, nach mehr Sinnstiftung in der Arbeit…

Veränderung fordert Unternehmen heraus , sich stetig neu zu erfinden. Für Führungskräfte, die maßgeblich die Kultur eines Unternehmens vertreten und leben, ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe.

Gleichzeitig beobachte ich in meiner alltäglichen Arbeit einen immer stärkeren Fokuswechsel von klassischer Personalauswahl hin zu Personalentwicklung, die den Menschen in seiner Individualität stärker berücksichtigt.

Personalarbeit hat immer weniger (alleinig) die Aufgabe, die richtigen Menschen für Jobs auszuwählen, sondern soll stattdessen stärker Arbeitsbedingungen und Jobs kreieren, die Menschen in ihrer Individualität und mit ihren Stärken bestmöglich arbeiten lassen. So nehme ich beispielsweise wahr, dass die Entwicklung einer wertschätzenden Feedback-Kultur bei fast allen unserer Kunden hoch auf der Agenda steht.

Auch im Rheinland legt man Wert auf Individualität. Gerade nun, kurz nach Ende der Karnevalssaison, der „fünften Jahreszeit“, ist mir dies wieder ins Bewusstsein gerückt. „Jeder Jeck ist anders“, sagt man sich hier, und drückt damit eine Akzeptanz für Vielfalt und verschiedene Meinungen, Vorlieben, Persönlichkeiten und vielem mehr aus.

Wie kann ich es also als Führungskraft schaffen, meine Mitarbeitenden in ihrer Vielfalt wertzuschätzen und jeder und jedem zu geben, was er oder sie in Veränderungs- und Entwicklungsprozessen braucht?

Artikel 5: Et bliev nix wie et wor! („Es bleibt nichts, wie es war.“)
Oder: Sei offen für Neuerungen.

Zunächst ist es wichtig, auf alle Mitarbeitenden individuell einzugehen. In unseren dynamischen Zeiten veraltet Wissen schnell, gleichzeitig sind Wissensinhalte durch das Internet immer leichter auffindbar. Deshalb rücken Fachkompetenzen in der Diagnostik immer stärker in den Hintergrund. An ihre Stelle tritt die Fähigkeit, sich neue Inhalte schnell und flexibel anzueignen. Beinahe alle Kund:innen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben die Veränderungskompetenz und die Offenheit für Neues in ihren Kompetenzmodellen in irgendeiner Weise verankert. 

Weiterhin beobachte ich häufig, dass Feedback- und Veränderungsprozesse bei vielen Kund:innen auf einer hauptsächlich sachbezogenen, fachlichen Ebene stattfinden. Das ist natürlich ein wichtiger Bestandteil, doch macht keinen Raum auf für all die Bedürfnisse, die Mitarbeitende haben, wenn sie sich selbst oder ihre Arbeit verändern sollen. Stellen Sie also sicher, dass auch zurückhaltende Kollegen gehört werden und ihre eigenen Perspektiven äußern können. Hören Sie bewusst hin bei überfachlichen Anmerkungen, z. B. zu Bedürfnissen oder Werten Ihrer Mitarbeitenden.

Unternehmen, Führungskräfte und HR-Verantwortliche sind dem Veränderungswillen der Mitarbeitenden natürlich nicht „ausgeliefert“, sondern können die Motivation für Veränderungen beeinflussen. Für mich zentral ist dabei eine Chancenorientierung, also ein Herausarbeiten von Vorteilen, die sich aus Veränderungen ergeben. Oft liegen dabei die Argumente aus unternehmerischer Sicht auf der Hand. Richtig wirksam wird es dann, wenn Sie zusätzlich die Vorteile auf individuelle Ebene herunterbrechen können. Dieser Schritt wird häufig vergessen.

Artikel 6: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet! („Kennen wir nicht, brauchen wir nicht, fort damit.“) Oder: Sei kritisch, wenn Neuerungen überhandnehmen.

Ein Schritt, der aus psychologischer Sicht wichtig ist, aber oft vergessen wird, ist, mit Vergangenem abzuschließen, bevor man sich Neuem zuwendet. Das kann auf den ersten Blick paradox wirken: Wieso sollte ich mich mit Themen und Prozessen in der Tiefe beschäftigen, die ich abschaffen möchte? Die Antwort ist: Natürlich müssen Menschen und Prozesse sich ständig weiterentwickeln. Aber Verhaltensweisen und Prozesse entstehen aus gutem Grund, egal ob bewusst geschaffen oder natürlich gewachsen. Und sie waren unter anderen Rahmenbedingungen wahrscheinlich mal passend.

In meiner praktischen Arbeit bedeutet das zum Beispiel, bei Beginn eines Kundenprojektes in einer Auftragsklärung genau zu erfragen, was denn an alten Prozessen besonders gut funktioniert hat und was unbedingt beibehalten werden sollte. Das schätzt liebgewonnene Aspekte an Prozessen wert und stellt sicher, dass ihnen nicht nachgetrauert werden muss, sondern dass sie in einen neuen Prozess eingeflochten werden können und ihn so noch besser machen und gleichzeitig die Akzeptanz steigern.

Weiterhin gucken wir uns in unserer Arbeit Prozesse immer „von hinten“ an. Wir prüfen, welche dahinterliegenden Bedürfnisse Veränderungswünschen (und damit Projektanfragen an uns) zugrunde liegen und welches Ziel denn mit einer Veränderung erreicht werden soll. Tatsächlich kommt es dann vor, dass Projekte völlig andere Ergebnisse produzieren als ursprünglich gedacht, wenn der Prozess immer wieder auf das eigentliche Ziel hin angepasst wird. Ist das geschafft, kann der gemeinsame Blick nach vorne entstehen sowie die Motivation, neue Wege zu gehen.

Ich bin überzeugt davon, dass eine Kombination aus all diesen Gedanken Personalentwicklungs- und Veränderungsprozesse immer ein großes Stück voranbringen kann. Schätzen Sie Altes wert. Richten Sie den Blick auf die individuellen Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden. Argumentieren Sie über Chancen und Vorteile und denken Sie Veränderungen vom Ziel aus, nicht vom Weg dahin.

ITB wünscht Ihnen viel Vergnügen an all dem spannenden Neuen, das Sie erwartet!

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