Narzisst im Assessment Center – High Performer oder Blender?

Grünes Ampelmännchen

Nicht jeder High Performer in einer Auswahlsituation ist ein guter zukünftiger Arbeitnehmer. Eine Persönlichkeit, die man sich als Arbeitnehmer eher nicht ins Haus holen will, ist ein Narzisst. Und grade dieser läuft in Auswahlprozessen unter Umständen zu Höchstleistungen auf. Was ein Narzisst ist, welche Gefahren von einem Narzissten im Arbeitskontext ausgehen und wie Sie diese Person identifizieren können, erfahren Sie in den folgenden Abschnitten.

Was ist Narzissmus eigentlich?

Seit geraumer Zeit ist Narzissmus in aller Munde und mit jedem Beitrag oder Artikel kommen neue Mythen um diese Persönlichkeitseigenschaft auf. Aus psychologischer Sichtweise ist hier als erstes anzumerken, dass es sich bei Narzissmus in der Ausprägung – wie bei anderen Persönlichkeitsvariablen auch – um ein Kontinuum handelt. DEN Narzissten gibt es nicht. Sehr wohl kann man jedoch mehr oder weniger narzisstisch sein.

Narzissmus zeichnet sich durch Schwierigkeiten in der Identität, Selbststeuerung, Empathie und Nähe aus. Zudem liegen eine gefühlte Grandiosität und ein Beachtungsbedürfnis in übermäßiger Ausprägung vor. Die Grandiosität ist dabei gekennzeichnet durch ein hohes Anspruchsdenken und einer empfundenen Überlegenheit, Selbstzentriertheit sowie Herablassung gegenüber anderen. Das Beachtungsbedürfnis zeichnet sich durch exzessive Versuche, im Fokus der Aufmerksamkeit zu sein und zu bleiben, sowie durch die Suche nach Bewunderung aus (DSM-V; American Psychiatric Association, 2013). Narzissten streben nach Selbstwerterhöhung, sind von dem Bedürfnis nach Bestätigung und Bewunderung durch ihre Umwelt sowie dem Verlangen nach Status und Macht getrieben (u.a. Campbell & Miller, 2011; Pincus & Roche, 2011). Wenn sich die Möglichkeit zu Glanz und Glorie ergibt, laufen sie zu Höchstleistungen auf. Bieten die Umstände keine Möglichkeit zur Profilierung, bleiben sie hinter den Erwartungen zurück (Wallace & Baumeister, 2002). Soziale Situationen bieten ihnen die Möglichkeit, ihre übersteigerten Selbstbilder durch die Interaktion mit anderen aufrecht zu erhalten. Vor allem, wenn ihr Ego involviert ist, ist dieses Verlangen zur Selbstwerterhöhung besonders stark ausgeprägt. Ganz gezielt nutzen sie dann Impression Management und inszenieren sich als die Person, die ihr Gegenüber in ihnen sehen soll (John & Robins, 1994).

Welche Gefahr geht vom Narzisst im Arbeitskontext aus?

Auch wenn Narzissten auf den ersten Blick durch ihr sicheres Auftreten und ihre Autorität als gute Führungspersönlichkeiten und attraktive Mitarbeiter erscheinen, stellen sie langfristig für eine Organisation weder das eine noch das andere dar. Stattdessen wird Narzissmus im Arbeitskontext mit schlechten Leistungsbewertungen durch Vorgesetzte (Blair, Hoffman & Helland, 2006), sprunghaften und riskanten Entscheidungen (Chatterjee & Hambrick, 2007), schlechtem Mentoring (Eby, Butts, Lockwood & Simon, 2004), kontraproduktivem Arbeitsverhalten, geringerer Leistung und geringem Hilfeverhalten (Judge, LePine & Rich, 2006), Selbst-Handicapping und Aufgeben angesichts anspruchsvoller Aufgaben (Rhodewalt, Tragakis & Finnerty, 2006) sowie wirtschaftskriminellen Handlungen (Blickle, Schlegel, Fassbender & Klein, 2006) in Verbindung gebracht. Narzissten verfügen also über Fähigkeiten und Eigenschaften, die sie auf den ersten Blick als attraktive Arbeitnehmer erscheinen lassen, die diese Erwartungen allerdings nicht erfüllen können. Eine Situation, die für Organisationen mit schwerwiegenden Konsequenzen einhergehen kann (Rosenthal & Pittinsky, 2006).

Wie zeigt sich ein Narzisst in Auswahlsituationen?

Auswahl- und generell Bewertungskontexte bilden für Narzissten zum einen die Chance zum gefühlt verdienten Aufstieg. Zum anderen aber auch eine Plattform um sie sich zu profilieren und ihr Ego durch soziales Feedback aufbauen können. Studien zeigen, dass im Rahmen von Gruppenaufgaben, wie sie auch im Rahmen von Assessment Centern zur Personalauswahl genutzt werden, Narzissten aufgrund ihres Auftretens von sich selber, den anderen Gruppenmitgliedern und beobachtenden Experten als High Performer und geeignete Führungspersönlichkeiten angesehen werden (Brunell, Gentry, Campbell, Hoffman, Kuhnert & DeMarree, 2008). Ein klassischer Beobachterfehler, denn interessanterweise spiegeln sich diese Einschätzungen jedoch nicht in den objektiven Erfolgsmaßen der Gruppenaufgaben wieder. Ganz im Gegenteil nehmen der objektive Informationsaustausch sowie die Gesamtperformance in Gruppen mit narzisstischen Führungskräften sogar ab (Nevicka, Ten Velden, De Hoog & Van Vianen, 2011). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Interviews: Selbst erfahrende Beobachter schätzen Narzissten in wenig strukturierten Interviewsettings als geeigneter ein als weniger narzisstische Bewerber. Dies resultierte zu einem Teil aus einem erhöhten Redeanteil narzisstischer Kandidaten gegenüber weniger narzisstischen Mitbewerbern (Paulhus et al., 2010). Zudem zeigt sich, dass der initial positive Eindruck, den Narzissten in sozialen Settings hinterlassen, mit der Zeit abnimmt (Paulhus, 1998). Das liegt daran, dass Impression Management viele Ressourcen benötigt und folglich nicht über längere Zeiträume aufrechterhalten werden kann.

Was können Sie tun?

Ein geeignetes Instrument, um narzisstische Blender von wirklichen High Performern abgrenzen zu können, ist folglich eine ausreichende Standardisierung des eingesetzten Auswahlverfahrens, sodass narzisstische Bewerber die Auswahlsituation nicht zu ihren Gunsten beeinflussen können. Aufgaben, die speziell die Teamfähigkeit und den Umgang mit Misserfolgen erfassen, können ebenfalls eingesetzt werden, da Narzissten hier Schwächen haben. Zudem lohnt es sich, in längere und gründlichere Auswahlprozesse zu investieren. So bannt man die Gefahr, Kandidaten lediglich aufgrund guten Impression Managements einzustellen. Der Einsatz objektiver Erfolgsmaße, die vor dem Auswahlverfahren festgelegt werden und an denen alle Kandidaten gleichermaßen gemessen werden, reduzieren zudem den Einfluss von gutem Impression Management weiter.

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