Emotionale Intelligenz: Was steckt dahinter – und kann man sie trainieren?

Was ist Emotionale Intelligenz?

Haben Sie sich schon mal gefragt, was einen „emotional intelligenten“ Menschen ausmacht? Wir alle kennen Kolleginnen oder Kollegen, die wir für mehr oder weniger einfühlsam, zugewandt, verständig, sensibel oder emotional unterstützend halten. In der Alltagssprache werden solche Personen häufig als „emotional intelligent“ bezeichnet.

Zahlreiche Artikel, Blogs und Erklärvideos im Internet behaupten, Emotionale Intelligenz (EI) sei die „wichtigste“ Form von Intelligenz. Es werden kurze Assessments, Tipps und Trainingsmethoden angeboten, mit denen sich die eigene Emotionale Intelligenz angeblich verbessern lässt. Aber halten diese Aussagen auch einer wissenschaftlicher Betrachtung stand?

Das sagt die Wissenschaft zur Emotionalen Intelligenz 

Aktuell wird Emotionale Intelligenz in der wissenschaftlichen Forschung unterschiedlich bewertet: Manche Forschende betonen den praktischen Nutzen von EI für Vorhersage von Arbeitsleistung, Führungsverhalten oder sogar Gesundheit. Andere wiederum halten Emotionale Intelligenz für ein unscharfes Konstrukt und/oder bestreiten die Messbarkeit der Eigenschaft.

Diese Kontroversen hängen mit zwei konkurrierenden Modellen zusammen, die derzeit diskutiert werden: dem Gemischten Modell und dem Fähigkeitsmodell der Emotionalen Intelligenz. Diese Modelle unterscheiden sich sowohl in ihrer inhaltlichen Definition als auch in der Art der Messung.

Gemischte Modelle der Emotionalen Intelligenz

In Gemischten Modellen wird Emotionale Intelligenz als eine Sammlung von Persönlichkeitsfacetten, Selbsteinschätzungen, Dispositionen und Motiven betrachtet. Dazu zählen Merkmale wie Optimismus, Durchsetzungsvermögen, Emotionale Stabilität, Anpassungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen oder Sozialkompetenz sowie die Fähigkeit der Emotionserkennung. Im Mittelpunkt steht dabei das Selbstbild der Personen sowie ihre Fähigkeit zur Selbsteinschätzung. Erfasst werden diese Eigenschaften meist durch standardisierte Fragebögen auf Basis von Selbstberichten.

Wichtig: Die hierbei betrachteten Eigenschaften überschneiden sich mit anderen Persönlichkeits- und Kompetenzbereichen. Werden also Fragebögen zur Eigenschafts-EI und andere Persönlichkeitsmodelle (z.B. Big Five oder HEXACO) gleichzeitig verwendet, besteht die Gefahr, dass einzelne Teilmerkmale doppelt erfasst werden.

Zudem bilden Selbstberichte das tatsächliches Fähigkeitsniveau nicht immer akkurat ab. Eigenschaftsbereiche der EI sind in der Regel sozial erwünscht. Insbesondere in Auswahlverfahren ist es daher wahrscheinlich, dass Personen versuchen werden, sich selbst in einem besonders positiven Licht darzustellen.

Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, welche Merkmale zu den Gemischten Modellen der EI gezählt werden. Bislang wenig erforscht ist zudem der potenzielle Einsatz von Emotionaler Intelligenz zur bewussten Manipulation anderer Menschen.

Fähigkeitsmodelle der Emotionalen Intelligenz

Fähigkeitsmodelle der Emotionalen Intelligenz ähneln klassischen kognitiven Fähigkeiten stärker als die Gemischten Modelle. In diesen Modellen wird davon ausgegangen, dass Emotionale Intelligenz vor allem eine Form der mentalen Leistungsfähigkeit ist. Das bekannteste Fähigkeitsmodell der EI umfasst diese Teilfähigkeiten:

  1. Emotionen erkennen
  2. Emotionen verstehen
  3. Emotionen regulieren

Erfasst werden diese Fähigkeiten mithilfe kognitiver Leistungstests, die aus verschiedenen Aufgabentypen bestehen. Testantworten werden als „richtig“ oder „falsch“ gewertet.

Die Details: Teilfähigkeiten von Fähigkeits-Modellen der EI

Emotionen erkennen: Menschen sind unterschiedlich gut darin, Emotionen im Gesichtsausdruck, im Verhalten oder in der Sprache zu erkennen. Personen mit ausgeprägter Emotionserkennungsfähigkeit können sowohl die eigenen Gefühle als auch jene ihrer Mitmenschen schnell und irrtumsfrei erkennen – und dabei auch vorgespielte oder maskierte (willentlich unterdrückte) Emotionen identifizieren.

Emotionen verstehen: Jede Emotion hat einen bestimmten Auslöser. Häufig gehen Emotionen außerdem mit Veränderungen im Verhalten, in unserer Motivation, im Erleben von Gefühlen oder in körperlichen Reaktionen einher.

Man sollte nicht nur die Ursachen von Emotionen verstehen, sondern auch ihre Auswirkungen auf uns selbst und andere in den Blick nehmen – sowohl im persönlichen als auch im sozialen Bereich. Emotionsverständnis bedeutet zum einen, Wissen über Gefühle und andere Menschen zu haben. Zum anderen gehört dazu die Fähigkeit, in neuen Situationen die richtigen Schlüsse aus dem Verhalten anderer Menschen zu ziehen und deren zukünftiges Verhalten „voraus zu ahnen“.

Emotionen regulieren: Im Alltag erleben wir Emotionen, die wir nicht ungefiltert an die Außenwelt tragen möchten – oder die uns bei bestimmten Aufgaben im Weg stehen. Deshalb kann es nützlich sein, unsere Emotionen gezielt beeinflussen zu können Das bedeutet zum Beispiel, sie stärker oder schwächer werden zu lassen, sie vorübergehend zurückzuhalten, zu verbergen oder gezielt ein bestimmtes Gefühl hervorzurufen.

Zwischenfazit

Wir haben gesehen, dass in der Wissenschaft unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, was genau unter Emotionaler Intelligenz zu verstehen ist. Oft wird dabei von der sogenannten „Jingle-Fallacy“ gesprochen: Zwei eigentlich sehr verschiedene Konzepte können fälschlicherweise für dasselbe gehalten werden, weil sie den gleichen Namen tragen.

Viele Forschende argumentieren, dass es sich bei den Eigenschaftsmodellen der EI eigentlich nicht um eine Form der Intelligenz handelt. Denn sie beschreiben eher typische Verhaltensmuster, Dispositionen und Motive – und keine kognitiven Fähigkeiten. Fähigkeits-EI hingegen gilt hingegen für viele Forschenden mittlerweile als neue Intelligenzform.

Was ist der praktischer Nutzen von EI im beruflichen Kontext?

Beide Formen der EI eignen sich, um die berufliche Leistung in gewissem Ausmaß vorherzusagen. Klassische, kognitive Intelligenz bleibt jedoch der stärkere Prädiktor.

Kann man Emotionale Intelligenz trainieren?

Erste Studien zeigen, dass bestimmte Aspekte Emotionaler Intelligenz trainierbar sind. Fraglich ist, ob tatsächlich alle Teilbereiche der EI trainiert werden können. Auch ist der praktische und ökonomische Nutzen von EI-Trainings noch weitestgehend unklar.

Was sagt die Wissenschaft zu EI?

Emotionale Intelligenz hat sich im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte zu einem anerkannten wissenschaftlichen Forschungsthema entwickelt. EI umfasst Eigenschaften, die für die Personalauswahl und -entwicklung relevant sein können. Die größte Herausforderung besteht aktuell darin, passende Leistungstests zu entwickeln, mit denen man emotionale Fähigkeiten zuverlässig messen kann.

Wie relevant sind Trainingsangebote zu Emotionaler Intelligenz?

Bei Trainings der Emotionalen Intelligenz handelt es sich oft um mehrtägige Trainingsprogramme, in denen unter anderem Einzel- und Gruppenübungen, Vorträge und Testaufgaben zum Einsatz kommen können. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass solche Trainings unter bestimmten Bedingungen effektiv sein können.

Was genau trainieren EI-Trainings

Ob eine Studie zeigen kann, dass EI trainierbar ist, hängt stark davon ab, womit der Trainingserfolg gemessen wird. Viele der aktuell existierenden Tests für Fähigkeits-EI erfassen vor allem emotionsbezogenes Wissen. Fähigkeiten wie das Verstehen und Vorhersagen emotionaler Reaktionen oder die gezielte Emotionsregulation werden in diesen Studien oft kaum berücksichtigt.

Sind die Trainingseffekte von praktischer Relevanz?

Ob EI-Trainings auch übergeordnete Kriterien wie die Arbeitsleistung, Führungskompetenz, Teamfähigkeit oder Kommunikation positiv beeinflussen, lässt sich noch nicht beantworten. Belastbare Studienergebnisse zu diesen übergeordneten Kriterien sind bisher kaum vorhanden.

Nicht wissenschaftsbasierte EI-Trainings

Auf dem Markt gibt es viele Trainingsprogramme zur Emotionalen Intelligenz, die nicht wissenschaftlich fundiert sind. Die Wirksamkeit solcher Trainings ist oft zweifelhaft oder nicht belegt. Deshalb sollten Interessierte die Versprechen und Aussagen kritisch hinterfragen. Hilfreich ist es, auf konkrete Nachweise zu achten – zum Beispiel:

  • Gibt es Belege für die Wirksamkeit?
  • Haben Expert:innen das Training entwickelt und evaluiert?
  • Für welche Leistung soll ich als zahlen?

Ob solche Trainings wirklich helfen, ist oft zweifelhaft. Wer sich dafür interessiert, sollte die Aussagen genau prüfen.

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