360°-Feedback im Performance Management Prozess: Mythen & Fakten

Aufgedeckt: Verbreitete Mythen gefährden den Nutzen von 360°-Feedbacks.

Ein erfolgreiches Unternehmen zeichnet sich u.a. durch gut ausgebildete Führungskräfte und effektive Führung aus. In diesem Streben nach Exzellenz hat sich das 360°-Feedback in der Personal- und Führungskräfteentwicklung als ein mächtiges Instrument etabliert. Führungskräfte können somit ihre Stärken identifizieren, Entwicklungsfelder reflektieren und verbessern. Doch wie bei vielen einflussreichen Werkzeugen ranken sich auch um das 360°-Feedback zahlreiche Mythen, die die Wahrnehmung und Nutzung dieses Instruments beeinflussen.

In diesem Beitrag nehmen wir fünf hartnäckige Mythen rund um das Entwicklungsinstrument 360°-Feedback unter die Lupe. Von vermeintlicher Zeitverschwendung bis hin zu Zweifeln an der Objektivität – wir lüften die Schleier und zeigen die wahre Bedeutung und den Nutzen des 360°-Feedbacks als Performance-Management-Methode auf

Mythos 1: Eine offene Feedbackkultur braucht kein 360°-Feedback

In einem transparenten und offenen Arbeitsumfeld findet bereits ausreichend Feedback zwischen Mitarbeitenden und dem Management statt – so die geläufige Annahme., Die Realität sieht jedoch oftmals anders aus: Mitarbeitende geben selten von sich aus Feedback an Kolleg:innen oder Führungskräfte. Selbst in einer Organisationskultur, die Kommunikation und Transparenz in den Vordergrund stellt, etablieren sich umfassende Feedbackprozesse erst dann, wenn Mitarbeitende strukturiert zu einem Feedback aufgefordert werden. Darüber hinaus schließt informelles Feedback subjektive von aktuellen Ereignissen geprägte Sichtweisen und orientiert sich nicht an Führungsleitlinien, was den Nutzen einschränken kann.

360°-Feedback-Systeme bieten die notwendige Struktur, indem sie eine Plattform bereitstellen, auf der Feedback explizit erbeten, systematisch gesammelt und anonym ausgewertet wird. Solche Systeme tragen maßgeblich dazu bei, dass sich Mitarbeitende gehört und wertgeschätzt fühlen, was wiederum eine transparente und offene Arbeitskultur stärkt.

Ein 360°-Feedback-System stellt sicher, dass alle Perspektiven Beachtung finden und konstruktive Rückmeldungen sowohl gegeben als auch empfangen werden können. Dies fördert nicht nur die individuelle Leistung der Führungskräfte, sondern auch den Erfolg der gesamten Organisation.

Mythos 2: 360°-Feedback ist zeitintensiv und belastet die Organisation

Eine Studie von Mabey an einer britischen Universität widerlegt den Mythos, dass der Aufwand eines 360°-Feedback seinen Nutzen weit übersteigt. Schließlich endet der Feedback-Prozess nicht mit der Auswertung der Befragung, sondern aus den Ergebnissen lassen sich effektive Entwicklungspläne für Einzelpersonen ableiten. Anstatt Trainings und Weiterbildungsangebote also nach dem Gießkannen-Prinzip zu verteilen, können Führungskräfte ganz gezielt entwickelt werden. Das spart Ressourcen. Manager:innen, die ein 360°-Feedback erhalten, zeigen außerdem ein höheres Engagement für ihre eigene Weiterentwicklung. Daraus ergeben sich persönliche Fortschritte, die sich auch in einem und verbesserten Feedback von Kolleg:innen niederschlagen.

Die positiven Effekte eines 360°-Feedbacks beschränken sich jedoch nicht auf die einzelnen Feedback-Empfänger:innen. Die Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die Ausprägung strategisch wichtiger Eigenschaften und Verhaltensmuster bei größeren Gruppen von Führungskräften. Nicht zuletzt hat das 360°-Feedback auch einen positiven Effekt auf die Unternehmenskultur. In einem abgestimmten Fragebogen finden die Kernwerte und die Geschäftsstrategie der Organisation ihren Niederschlag in den bewerteten Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Dadurch vermittelt die Organisation den Mitarbeitenden, welche Bereiche wichtig sind und gezielt entwickelt werden sollten.

Mythos 3: Die Auswahl der Feedbackgebenden den Feedbackempfangenden niemals selbst überlassen – sie erfragen ohnehin nur positives Feedback

Die Befürchtung liegt auf der Hand: Wenn Führungskräfte selbst entscheiden, wer ihnen ein Feedback gibt, werden sie nur diejenigen auswählen, bei denen sie eine positive Rückmeldung erwarten. Dahinter steht häufig ein eher konservatives Bild von extrinsisch bedingter Arbeitsmotivation, die sich durch Belohnung und Bestrafung auszeichnet. In der Realität, in der ein 360°-Feedback häufig als entwicklungsorientiertes Instrument eingesetzt wird, findet diese Sorge oft keine Bestätigung.

Tatsächlich suchen Individuen meist nach sinnvollem und authentischem Feedback, das ihnen hilft, sich selbst besser zu verstehen – sowohl in Bezug auf unbekannte Schwächen als auch ungenutzte Wachstumspotenziale. Sie legen Wert auf ein klares und unverfälschtes Bild ihrer Leistung und ihres Verhaltens. Dieses ehrliche Feedback wird besonders geschätzt, da es eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten ermöglicht. Dabei ist es wichtig, dass die Organisation bei der Einführung des Instruments den entsprechenden Rahmen schafft.

Dieser Mythos gefährdet den tatsächlichen Nutzen eines 360°-Feedbacks. Wenn den Teilnehmenden ein (begrenzter) Einfluss auf die Auswahl ihrer Beurteilenden gewährt wird, verbessern sich die Wahrnehmungen von der Fairness, der Glaubwürdigkeit der Beurteilenden und die Nützlichkeit des Feedbacks entscheidend. Daraus folgt eine Steigerung der Arbeitsleistung sowie einer motivierten Zielsetzung. Die partizipative Vorgehensweise bei der Nominierung führt zu einer größeren Varianz in den Bewertungen, da ein breiteres Spektrum an Perspektiven erfasst wird, was für eine umfassende und aussagekräftige Beurteilung essenziell ist.

Studien, wie die von Nieman-Gonder et al. (2006), zeigen, dass Beurteilende, die von Feedbackempfangenden ausgewählt wurden, genauso präzise oder sogar präziser bewerten als Beurteilende, die nicht durch sie ausgewählt wurden. Dies unterstreicht die Effektivität eines partizipativen Ansatzes, bei dem Feedbackempfangende und Manager gemeinsam die Beurteilenden auswählen, was sowohl die Akzeptanz der Ergebnisse als auch die Effektivität des gesamten Feedbackprozesses stärkt.

Mythos 4: 360°-Feedback hilft nur dem Management

Ja, ein 360°-Feedback versorgt das Management mit essenziellen Erkenntnissen zu Stärken und Lernfeldern einzelner Teammitglieder. Darin liegt aber auch die Chance, durch gezielte Unterstützung ein kollektives Wachstum im Unternehmen zu fördern. Die einzelnen Teammitglieder erhalten ein klares Bild von ihren beruflichen Fähigkeiten und können gemeinsam mit der Organisation passgenau an ihrer Weiterentwicklung arbeiten. Nicht zuletzt schafft ein 360°-Feedback auch Transparenz und Klarheit in der Frage, welche Anforderungen die Organisation stellt und ob der oder die Einzelne diesen Erwartungen aktuell gerecht wird.

Wirklich ausgehebelt wird der Mythos, ein 360°-Feedback diene nur der Organisationsleitung jedoch an diesem Punkt: Mitarbeitende, die ihren Führungskräften ein ausführliches Feedback zu Kompetenzen und Verhalten im Arbeitsalltag geben, bekommen eine laute Stimme. Ihre Rückmeldungen haben in der Auswertung dasselbe Gewicht wie die Rückmeldungen der Vorgesetzten und der Kolleg:innen.

Mythos 5: 360°-Feedback schädigt Beziehungen

Viele Feedback-Empfänger:innen und Feedback-Geber:innen treibt die Sorge um, dass ein 360°-Feedback – insbesondere mit kritischen Rückmeldungen – die Beziehungen am Arbeitsplatz negativ beeinflussen könnte. Studien und praktische Erfahrungen belegen aber tatsächlich das Gegenteil:

  • Strukturierte Feedbackprozesse mit verhaltensbasierten Fragebögen stärken die Beziehungen zwischen Feedback-Empfänger:innen und Feedback-Geber:innen,
  • Vertrauen wird aufgebaut und nicht zerstört.
  • Ein professionell erhobenes 360°-Feedback wird als konstruktiv und objektiv wahrgenommen.

Wenn verborgene Konflikte zu Tage treten, können diese aktiv gelöst werden, was sich positiv auf die Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten auswirkt. Eine deutliche Trennung zwischen Person und Verhalten wirkt entschärfend auf Konflikte, sodass das Feedback als Chance zur Entwicklung und nicht als persönliche Kritik wahrgenommen wird.

Die Aggregation vieler Einzelmeinungen in quantitativen Items zu einer Gesamteinschätzung steigert die Validität der Ergebnisse aus Sicht der Feedback-Empfänger:innen. Gleichzeitig bewegen Feedback-Geber:innen, insbesondere Mitarbeiter:innen, sich in einem geschützten Umfeld, in dem sie anonym Rückmeldung zur Zusammenarbeit geben können. Im qualitativen Feedback erfahren die Feedback-Empfänger:innen in Form von ganz individuellen Verbesserungshinweisen und Ermutigungen besondere Wertschätzung durch ihre Feedback-Geber:innen.

In der fachlichen Literatur gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass die weit verbreiteten Vorurteile gegenüber 360°-Feedbacks unbegründet sind und sich vielfältige Nutzen für Individuen, Teams und Organisationen ergeben. Dennoch ist ein 360°-Feedback kein Selbstläufer – es bedarf sorgfältiger Planung, Kommunikation, Durchführung und kann nur dann sein Potenzial entfalten und nachhaltig wirken, wenn einmal identifizierte Entwicklungsfelder auch in einem strukturierten Follow-up angegangen werden.

Im Live-Webinar beleuchten wir fünf gängige Mythen rund um das Thema 360°-Feedback

Wir diskutieren, wie viel Wahrheit in diesen Vorurteilen steckt und gehen auf Hindernisse und Erfolgsfaktoren bei der Implementierung des Instruments ein. Anhand von praxisnahen Beispielen zeigen wir, wie Sie das volle Potenzial des 360°-Feedbacks als Performance-Management-Methode nutzen können und berichten von unseren Erfahrungen in unterschiedlichen Beratungsprojekten.

Termine:

22.05.2024, 10:00 bis 11:00
13.06.2024, 14:00 bis 15:00

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