Bullying bezeichnet einen Prozess sozialer Interaktion zwischen Personen, bei der eine (schwächere) Person (bzw. Personengruppe) wiederholter Gewalt durch eine (stärkere) Person (bzw. Personengruppe) ausgesetzt ist. Bullying kann in unterschiedlichen Formen auftreten. So wird grundsätzlich unterschieden zwischen direktem Bullying (physisch oder verbal) und indirektem Bullying (sozial). In den letzten Jahren gilt die Aufmerksamkeit allerdings auch zunehmend einer neuen Form, dem Cyberbullying.
Was kennzeichnet Cyberbullying?
Durch die inzwischen alltägliche und selbstverständliche Verbreitung sozialer Netzwerke kommt es immer häufiger zu Bullying auf virtuellem Wege. Dabei ist es wegen der schieren Häufigkeit der Vorfälle nahezu unmöglich, all diese Taten zu erfassen. Cyberbullying und klassisches Bullying unterscheiden sich aber nicht nur in ihrem Ausführungsort: Aufgrund der Anonymität, die das Internet bietet, können sich die Täter verhältnismäßig frei bewegen und agieren, ohne identifiziert oder gar zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das wiederum senkt natürlich die Hemmschwelle, und der Übergang zur Täterschaft erfolgt schneller und häufiger.
Außerdem ist klassisches Bullying zeitlich und räumlich begrenzt – anders beim Cyberbullying: Die Angriffe können zu jederzeit an jedem Ort erfolgen, den Betroffenen bleibt keine Rückzugsmöglichkeit. Veröffentlichte Inhalte verbreiten sich im Internet rasend schnell und verweilen dort für immer – hier kommen uns allen wohl schnell Beispiele aus der Welt der Sozialen Medien, Influencer etc. in den Sinn. Einzelne Handlungen oder Veröffentlichungen im Internet können daher für das Opfer gleiche Konsequenzen mit sich bringen wie andauernde, systematische Verletzungen beim klassischen Bullying.
Diese Faktoren machen es erheblich schwerer, den Opfern von Attacken zu helfen und vor allem, präventiv dagegen vorzugehen. Gesamtgesellschaftliche Präventionsmaßnahmen werden aber zunehmend wichtiger. Cyberbullying ist längst kein Phänomen unter Jugendlichen mehr, sondern hält inzwischen leider auch vermehr am Arbeitsplatz Einzug. Eine Verantwortung, der sich Unternehmen nicht entziehen dürfen – nicht zuletzt auch, weil Cyberbullying am Arbeitsplatz hohe wirtschaftliche Schäden verursacht.
Rechtliche Aspekte
Jede Führungskraft hat laut Arbeitsvertrag eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Teammitgliedern zu erfüllen. Diese beinhaltet die Sicherstellung der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechtes. Da Bullying im Arbeitskontext einen Angriff sowohl auf die physische als auch auf die psychische Gesundheit darstellt, muss dieses Problem seitens der Führungskraft aktiv behoben werden. Zivilrechtliche Haftungsansprüche können sowohl bei vorsätzlichen Taten des Arbeitgebenden selbst, als auch bei fahrlässigem Ignorieren bekannter Cyberbullying-Attacken innerhalb des eigenen Teams entstehen. Bei einer Verletzung dieser rechtlichen Verpflichtung kann der Arbeitnehmende laut BGB Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche stellen.
Wie entsteht Cyberbullying am Arbeitsplatz?
Eine Arbeitssituation mit unorganisierten Abläufen, unklaren Absprachen und mangelnder Wertschätzung kann zu Unzufriedenheit und mangelnder Compliance der Mitarbeitenden gegenüber dem Unternehmen führen. Diese Unzufriedenheit kann in extremen Situationen in Angriffen gegenüber Führungskräften oder anderen Verantwortlichen ausarten. Bullying innerhalb der eigenen Hierarchieebene dagegen findet sich besonders häufig in einer Arbeitsatmosphäre, die von Konkurrenz, Leistungsdruck und Neid geprägt ist. Oder schlicht in Zeiten großer Unsicherheit. Außerdem kann es für eine Person, egal ob Führungskraft oder Teammitglied, schwierig sein, sich in ein bereits bestehendes und gut eingespieltes Team zu integrieren, weswegen gute Onboarding-Prozesse, zumal in virtuellen Teams, effektiv vor Cyberbullying am Arbeitsplatz schützen können.
In einer Zeit, die von Remote-Arbeit geprägt ist und in der Teams überwiegend virtuell zusammenarbeiten, ist es daher besonders wichtig, Führungskräfte fit zu machen in virtueller Führung. Sie müssen Struktur vorgeben, einen klaren Kommunikationsstil pflegen und so Sicherheit vermitteln, ein wichtiger protektiver Faktor gegen Cyberbullying.
Welche Auswirkungen hat Cyberbullying für Unternehmen?
Cyberbullying am Arbeitsplatz hat nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für das Unternehmen unmittelbar negative Konsequenzen. Erstens sorgt es logischerweise für ein schlechtes Arbeitsklima: das Wohlbefinden der Beschäftigten sinkt, nicht nur bei den Opfern sondern bei allen Mitarbeiter*innen, die von den Angriffen erfahren oder diese beobachten. Die Arbeitszufriedenheit bzw. Motivation, die Konzentration und auch das Commitment gegenüber der Organisation nehmen ab. Zweitens kommt es zu einem Abfall in Arbeitsqualität und –quantität.
Betroffene erfüllen ihre Aufgaben nur noch im nötigsten Rahmen, sehen keinen Mehrwert mehr in einer Optimierung von Arbeitsabläufen und Täter*innen verschwenden wohlmöglich mehr Energie auf die Vorbereitung und Durchführung ihrer Angriffe als auf ihre Arbeit. Zuletzt kann es natürlich insbesondere auf Seiten der Opfer auch zu krankheitsbedingten Fehlzeiten, Versetzungen oder in extremen Fällen sogar zu Kündigungen kommen. Somit entstehen ungeplante Personalkosten durch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Fluktuation und die Auswahl und Einstellung neuer Mitarbeiter*innen. All diese Faktoren können auf lange Sicht einen erheblichen Schaden für die Organisation und ihr Image bedeuten.
Was tun gegen Cyberbullying am Arbeitsplatz?
Aber mit welchen Maßnahmen kann man Cyberbullying am Arbeitsplatz verhindern? Wie oben schon angedeutet wirken ein wertschätzendes und vertrauensvolles Umfeld ebenso präventiv gegen Bullying jeder Art wie auch klare Kommunikation seitens der Führungsebene. Wer seinen Mitarbeiter*innen ein offenes Ohr signalisiert, erhöht außerdem die Chance, dass sich Opfer oder Beobachter*innen von Bullying-Vorfällen frühzeitig an die jeweilige Führungskraft wenden, wodurch eine weitere Eskalation vermieden werden kann.
Bei Bekanntwerden eines Vorfalls sollte zunächst möglichst schnell eine eindeutige Stellungnahme seitens der Führungsebene erfolgen. Führungskräfte sollten in ihrer Vorbildfunktion die moralischen Maßstäbe gegenüber allen Mitarbeitenden verdeutlichen und dabei von Anfang an keinen Raum für Anfeindungen bieten. Dabei sollte deutlich gemacht werden, dass bei Verstoß gegen diese Werte und Normen mit entsprechenden Konsequenzen zu rechnen ist. Dies kann auch durch einen entsprechend formulierten, schriftlich fixierten Wertekatalog unterstrichen werden, zu dem sich alle Mitarbeiter*innen klar bekennen sollen.
Aufbauend auf der klaren Positionierung sollte außerdem Aufklärung zu dem Thema erfolgen. Alle Teammitglieder sollten für die Ursachen, die Folgen und auch Möglichkeiten der Einschreitung sensibilisiert werden. In diesem Schritt sollte weiterhin aufgezeigt werden, wo der Übergang von anderen Spannungs- und Konfliktsituationen zu Bullying stattfindet, eine gewisse Grenze also überschritten wird. Diese Maßnahmen können durch Nutzung verschiedener Medien wie Broschüren, Rundschreiben aber natürlich auch Versammlungen oder einzelne Mitarbeitergesprächen erfolgen. Ist ein intensiverer Einblick in das Thema erwünscht, bietet sich natürlich auch die Möglichkeit eine externe Person vom Fach, beispielsweise einen Psychologen, zu engagieren und über das Thema aufzuklären. Auf diese Weise können Unternehmen zudem signalisieren, dass Cyberbullying am Arbeitsplatz seitens der Organisation sehr ernst genommen wird.
Eine weitere Maßnahme zur Vorbeugung gegen Bullying ist das Angebot einer Anlaufstelle innerhalb des Unternehmens. So kann beispielsweise eine Vertrauensperson definiert werden, an welche die Betroffene im Falle eines möglichen Angriffes herantreten können. Oft liegt bei Bullying eine gewisse Hemmschwelle seitens der Opfer vor, ihre Belastung gegenüber anderen zu äußern und sich Hilfe einzuholen. Daher sollte auch an diesem Punkt wieder mit viel Feingefühl darauf aufmerksam gemacht werden, dass jedes Teammitglied mit seinen Sorgen ernst genommen wird und die Informationen vertraulich behandelt werden. Nur so besteht die Möglichkeit, anbahnende Angriffe früh genug zu erkennen und einzugreifen.
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