Autor:in: Leonie Seynsche
In diesem Beitrag
Stellen Sie sich vor, Sie lesen die folgende Stellenanzeige:
„Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen durchsetzungsstarken Projektleiter mit ausgeprägten analytischen Fähigkeiten und hoher Führungskompetenz.“
Wie viele Bewerbungen gehen wohl ein? Antwort: Zu wenige. Es könnten mehr sein, wenn der Text anders geschrieben wäre….
Bevor die Lösung kommt, hier noch ein paar wichtige Hintergründe: Viele Unternehmen stehen bei der Rekrutierung passender Arbeitskräfte vor der Herausforderung, dass sie nicht genug Bewerbungen erhalten und letztendlich Stellen unbesetzt bleiben. Der durch den demographischen Wandel bedingte Fachkräftemangel führt dazu, dass Arbeitgeber:innen bislang erfolgreiche Rekrutierungsmaßnahmen sowie die damit verbundenen Anforderungsprofile für Vakanzen überdenken müssen. In diesem Zusammenhang ist die Diversifizierung des Bewerbendenpools in aller Munde. Unternehmen müssen in Sachen Rekrutierung „breiter“ denken, um ihre offenen Stellen besetzen zu können – Stichwort: Diversity Recruting. Es geht hier darum, Bewerbende in allen Ausprägungen in den Vielfaltsdimensionen gleichermaßen anzusprechen – sei es bezogen auf ethnische Herkunft, Gender, Alter oder soziale Herkunft.
Im folgenden Beitrag richten wir den Fokus auf den ersten Kontakt zwischen Unternehmen und Bewerbenden – die Stellenausschreibung. Bereits ihre Gestaltung entscheidet über die Außenwahrnehmung des Unternehmens und damit über die Motivation von Arbeitnehmer:innen, überhaupt eine Bewerbung einzureichen. Die Stellenausschreibung sollte so gestaltet sein, dass der Pool an Bewerbenden nicht nur quantitativ, sondern ebenso qualitativ hinsichtlich der Diversitäts-Merkmale größer wird. So haben Unternehmen eine größere Auswahl, um einen optimalen Person-Job-Fit herzustellen sowie die Heterogenität ihrer Belegschaft zu steigern.
Es geht hier natürlich um Wertschätzung und Respekt. Und gleichzeitig sind für viele Unternehmen schlichtweg auch unternehmerische Interessen relevant – Studien zeigen, dass Unternehmen mit einer diverseren Belegschaft erfolgreicher sind (Fernando, Jain & Tripathy, 2020; Hunt, Prince, Dixon-Fyle & Dolan, 2020).
Die folgenden Tipps liefern Ihnen konkrete Hinweise für die optimale Gestaltung von diversitätsfördernden Stellenanzeigen.
Achten Sie auf die richtige Wortwahl! - Nutzen Sie männlich und weiblich konnotierte Begriffe
Männlich konnotiert sind Begriffe, die in der Gesellschaft stereotypisch mit Männern (z. B. Verhandlungsgeschick) assoziiert werden – analog gibt es weiblich konnotierte Begriffe, wie etwa Kommunikationsfähigkeit (Gaucher et al., 2011). Studien zeigen, dass sich Frauen eher auf Stellenanzeigen mit als weiblich oder neutral geltenden Begrifflichkeiten bewerben, wie z.B. Konfliktfähigkeit (Göddertz, 2016).
Um den Pool der Bewerbenden möglichst groß zu halten, sollten in Stellenausschreibung entsprechend möglichst neutrale Begriffe verwendet werden wie z. B. Konfliktfähigkeit. Ist die Verwendung von neutralen Begriffen nicht möglich, raten Expert:innen, männlich und weiblich konnotierte Begriffe ausgewogen zu verwenden.
Authentisch bleiben ! - Verwenden Sie Bildmaterial, das für Diversität spricht
Auch das in der Stellenanzeige verwendete Bildmaterial beeinflusst die Bewerbungsabsicht. Die Bilder sollten Offenheit für Vielfalt und Diversität signalisieren. Hier ist es allerdings wichtig, authentisch zu bleiben. Die auf den Bildern präsentierte Belegschaft sollte mit der echten übereinstimmen und keine diverse Idealvorstellung suggerieren, die der Unternehmensrealität nicht entspricht. Bewerbende werden sonst im Bewerbungsprozess getäuscht – und es schadet natürlich auch dem Ansehen des Unternehmens.
„Du kannst das!“ – Unterscheiden Sie zwischen Muss- und Wunschkriterien
Eine Aufteilung der Stellenanforderungen in zwei Kategorien führt dazu, die Bewerbungsschwelle zu senken. Frauen und Minderheiten neigen dazu, sich erst zu bewerben, wenn sie alle in der Stellenausschreibung aufgeführten Anforderungen erfüllen (Collier & Zhang, 2016). Kompetenzen, die zur Verrichtung der Tätigkeit unabdingbar sind, müssen natürlich als solche beschrieben werden („Muss-Kriterien“). Um geeignete Bewerbende jedoch nicht mit einem übersteigertem Anforderungsprofil abzuschrecken, können Kompetenzen, die zwar erwünscht, aber nicht zwingend erforderlich sind, durch Zusätze wie „idealerweise“ oder „bestenfalls“ entsprechend gekennzeichnet werden („Wunsch-Kriterien“).
„Trau Dich!“ – Sprechen Sie zurückhaltende Bewerbergruppen direkt an
Die Erfahrung zeigt, dass es Gruppierungen gibt, die in Bewerbungsprozessen eher zurückhaltend agieren, das heißt zögern, sich zu bewerben, wenn sie z.B. nicht allen Anforderungen entsprechen. Durch eine direkte Ansprache können diese motiviert werden, sich zu bewerben. Beispielsweise kann am Ende einer Stellenausschreibung in mehreren Sätzen explizit das Interesse an Bewerbungen von berufstätigen Müttern und Vätern, Menschen mit ausländischer Herkunft sowie Mitarbeitenden, die Interesse an einer Altersteilzeit-Stelle haben, bekundet werden – wenn dadurch umgekehrt niemand ausgeschlossen wird. Der Absatz kann zur schnelleren Wahrnehmung zusätzlich im Text optisch hervorgehoben werden.
Positionieren Sie sich klar! - Unterzeichnen Sie die der Charta der Vielfalt
Um sichtbar zu machen, dass das Unternehmen Vielfalt aktiv fördert, kann z. B. auch die Charta der Vielfalt unterzeichnet werden. Damit bekennt sich das Unternehmen zu einer offenen Unternehmenskultur, die von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Um Bewerbende darauf aufmerksam zu machen, kann das Logo der Charta der Vielfalt nach der Unterzeichnung optisch gut sichtbar platziert werden.
Eigenes Engagement sichtbar machen! - Weisen Sie auf Maßnahmen im Unternehmen hin
Dass das Unternehmen großen Wert auf die Förderung von Vielfalt legt, lässt sich auch durch die Nennung des eigenen Engagements verdeutlichen. So können beispielsweise Informationen zu entsprechenden Förderprogrammen in Stellenausschreibungen eingebunden werden – oder auch Hinweise auf flexible Arbeitszeitmodelle, die Menschen in unterschiedlichsten Lebensphasen eine Mitarbeit ermöglichen.
Plus 1: Schaffen Sie Sensibilität für unbewusste Vorurteile - Vermeiden Sie Wahrnehmungfehler
Ein Auswahlprozess ist nur so gut wie diejenigen, die ihn begleiten. Hier gilt es für den Unconscious Bias zu sensibilisieren, d.h. unbewusste Voreingenommenheit, unbewusste Denkmuster und vorauseilende Annahmen, die sich auf Fähigkeiten, Kompetenzen und Tendenzen unterschiedlicher Gruppen beziehen. Durch entsprechende Schulungen können sich alle am Auswahlprozess Beteiligten die eigenen Wahrnehmungsfehler bewusstmachen.
Blicken wir an dieser Stelle noch einmal auf unser Beispiel zu Beginn dieses Artikels zurück. „Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen durchsetzungsstarken Projektleiter mit ausgeprägten analytischen Fähigkeiten und hoher Führungskompetenz.“
Basierend auf den obengenannten Empfehlungen ließe der Text sich nun umformulieren:
„Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine Projektleitung, die über eine hohe Auffassungsgabe sowie über die Fähigkeit zur Anleitung von Teams verfügt. Idealerweise liegt auch bereits Erfahrung mit herausfordernden Führungssituationen vor. Wir wertschätzen Vielfalt und begrüßen daher alle Bewerbungen – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer und sozialer Herkunft, Religion/Weltanschauung, Behinderung und Alter. Wir bieten unseren Mitarbeitenden flexible Arbeitszeitmodelle, die sich mit ihren individuellen Bedürfnissen vereinbaren lassen.“
Ganz einfach, oder? Und jetzt sind Sie dran!
Broschüre zur Diskriminierung in Stellenanzeigen (Antidiskriminierungsstelle des Bundes): https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/diskriminierung_in_stellenanzeigen.pdf
Initiative zur Charta der Vielfalt
Collier, D. & Zhang, C. (2016). Can We Reduce Bias in the Recruiting Process and Diversify Pools of Candidates by Using Different Types of Words in Job Descriptions? https://ecommons.cornell.edu/handle/1813/74363
Fernando, G., Jain, S. & Tripathy, A. (2020). This cloud has a silver lining: Gender diversity, managerial ability, and firm performance. Journal of Business Research, 117, 484–496. https://doi.org/10.1016/j.jbusres.2020.05.042
Göddertz, S. (2016). Genderspezifische Eigenschaften und Statements in Stellenausschreibungen. https://www.haufe.de/personal/hr-management/genderspezifische-statements-in stellenausschreibungen_80_337118.html
Hunt, V., Prince, S., Dixon-Fyle, S. & Dolan, K. (2020). Diversity wins. McKinsey.